EVA Herrschaft

Ausgezeichnet mit dem 3.Platz des Tolino media Newcomer Preis 2021!

Vor 200 Jahren hat die Insel Selvia sich vom Festland abgeschottet. Eine gewaltige Mauer wurde gebaut, um die Bevölkerung vor den massiven Unruhen auf dem Festland zu schützen. Technisch und medizinisch hochentwickelt, ähnelt ihr gesellschaftliches System noch immer dem von vor 200 Jahren.  Die Regierung unter Präsident Adam hält unangefochten an dem Herrschaftsrecht der Männer fest. 

»Nur wenn die natürliche Geschlechterordnung beibehalten wird, kann Frieden und Wohlstand herrschen.« (Präsident Adam in seiner Rede zum 200-Jährigen Jubiläum der Mauer)

Eva, Tochter eines Kaufmannes, steht kurz vor einem bedeutenden Ereignis in ihrem 16-jährigen Leben: der Heiratsmarkt. Der Preis, den sie erzielt, bestimmt ihren Wert und ihre Zukunft. Eine Rebellion stellt diesen Wert in Frage und ihr Leben auf den Kopf. Was ist noch wahr in einer Welt, in der nichts so scheint, wie sie es jahrelang geglaubt hat.

EVA Herrschaft ist Teil der Selvia-Reihe, kann aber eigenständig gelesen werden und ist in sich abgeschlossen. (Selvia-Reihe: EVA Herrschaft und MARTHA Anarchie)

Enthält Szenen mit Angst und Gewalt.

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Die Zeilen handeln von der Liebe zwischen einem Mann und einer Frau. Ich begreife diese altmodischen Worte kaum. Es klingt zu schön, um wahr zu sein, dass ein Mann eine Frau aus Liebe heiratet und andersherum – kaum vorzustellen. Eine Frau heiratet jemanden, der ihr einen guten Lebensstandard bietet. Männer wollen hübsche, zarte Mädchen. Ich gebe meiner Mutter Recht. Alles andere entspricht nicht der Wahrheit. 

»Das Gedicht ist eine Lüge!«, ertönt Lillits Stimme hinter mir.
Erschrocken drehe ich mich um. Wie hat sie es geschafft, den Aufseherinnen zu entgehen, und wie ist sie ins Klassenzimmer geschlüpft? Sie fordert ihr Glück heraus. 
»Wo entscheidet die Liebe, wer wen heiratet, wenn die Mädchen auf dem Heiratsmarkt an den höchst Bietenden versteigert werden?« Herausfordernd wandern ihre Augen durch die Reihen. Ist das Wahnsinn in ihrem Blick? Oder glaubt sie tatsächlich, was sie da sagt? Alle, einschließlich mir, senken die Augen auf die DV-Tafeln. Niemand antwortet. 

»Das ist so nicht richtig, Lillit«, entgegnet die Lehrerin. Ihre Stimme zittert. Das ist kein gutes Zeichen. Ich schiele nach oben. Zwischen ihren Augen hat sich eine tiefe Falte gebildet. Die linke Hand wandert zu ihrer DV-Uhr. Bei Lillit wird nicht mehr gezögert.

»Ach nein? Wie erklären Sie dann das demütigende Zurschaustellen der Mädchen mit diesen übertriebenen Kleidern auf dem Markt?« Lillit hört nicht auf, obwohl sie gesehen haben muss, dass die Lehrerin die Aufseherinnen gerufen hat.
Ich versuche, nicht hinzuhören, nicht über ihre Worte nachzudenken. Sie benutzt sie wie eine Waffe gegen das männliche Geschlecht und die Regierung. Ihr ewiger Kampf, den ich so wenig nachvollziehen kann wie ihre Abneigung gegenüber bunten Kleidern. Meine Hände sind zu Fäusten geballt. Ich bohre die Fingernägel in die Handflächen. Der Schmerz durchströmt meinen Körper – eine willkommene Ablenkung von Lillits unablässigem Gerede.

»Der Heiratsmarkt ist eine ungerechte Tradition, um uns Frauen niederzumachen, uns klein zu halten, uns zu beschämen. Wir haben keine Rechte. Wir werden wie Gegenstände behandelt! Oder finden Sie es wirklich gerecht, uns zu verkaufen?«

Verkaufen? Ich verstehe ihre Aussage nicht. Wie kann sie nur so etwas sagen? Meine Wangen werden heiß.

»Wir werden doch nicht verkauft!«, kreischt Frau Aquila. »Der Kaufpreis soll unseren Wert darstellen. Wir sind wertvoll!« 


Eine Geschichte für alle, die gegen Ängste und Zweifel kämpfen und auf der Suche nach sich selbst sind.